Dienstag, 7. August 2012

Log 7: Das grüne Monster kommt

Das grüne Monster bringt große Fische mit sich             Foto: STeilchen



Gemütlich sitzt der Anglerfisch in einer Spalte des Korallenblocks. Mit seinen zwei Brustflossen hält er sich rechts und links wie mit Armen auf seinem Platz fest. Vorsichtig drehe ich mich zu meinen vier Tauchern um und gebe ihnen das Zeichen für „Anglerfisch“: Ich tue so als ob ich eine Angel in den Händen halten würde, die ich auswerfe und wieder einhole. Dann zeige ich mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Spalt im Korallenblock.

Schnell folgen die Augen der Taucher meinem Finger, kehren zu mir zurück und schauen mich fragend an. Für sie ist der Anglerfisch unsichtbar. Reglos sitzt er auf dem Block. Sein Körper hat die gleiche Farbe wie die Korallen, an denen er sich festhält: Purpurrot. Langsam schwimme ich ein Stückchen näher heran und zeige noch einmal auf den Fisch. Die vier Taucher umringen mich und starren den Korallenblock an. Sekunden später höre ich ein dumpfes „Ahhhh!“ aus ihren Atemreglern klingen und schwimme langsam zurück.

Gemütlich: Anglerfisch im Korallenblock    Foto: STeilchen
Vor 30 Minuten sind wir vom Boot ins Wasser gesprungen. Sind vorbeigetaucht an riesigen Kalksteinfelsen, und danach über ein Riff mit bunten Hartkorallen und vielen Fischen geschwommen. „West of Eden“ haben die Taucher diesen Platz getauft. Das Riff liegt unter der Wasseroberfläche vor Similan Insel Nummer 7. Insgesamt neun Inseln ziehen sich wie an einer Perlenkette an dieser Stelle durch die Andamanen See. Rund 100 Kilometer sind es von hier bis zum thailändischen Festland. In der Trockenzeit, von November bis April, ist das Wasser mild. 28 Grad Celsius ist es im Schnitt unter der Wasseroberfläche warm.

Das helle Blau verwandelt sich in dunkles Grün

„Gemütlich warm“, denke auch ich, drehe mich auf den Bauch und schwimme langsam um den Korallenblock herum. Die Taucher schweben über dem Block, kommen sich mit ihren Flossen in die Quere und fotografieren den seltenen Fisch. Ich schwebe schwerelos im Wasser und drehe mich langsam um die eigene Achse. Mein Blick wandert den sandigen Grund neben dem Korallenblock entlang, nach unten, ins tiefere Wasser. Dort verwandelt sich das helle Blau langsam in ein dunkles Grün. Wie eine grüne Wand kriecht das trübe Wasser langsam zu uns hinauf.

„Das grüne Monster kommt“, denke ich. Schnell schwimme ich zurück zu meinen Tauchern, ziehe einen Karabinerhaken von meiner Tarierweste ab und klopfe damit gegen den Tank auf meinem Rücken. Dann winke ich die vier zu mir und gebe ihnen ein Zeichen, mir zu folgen. Plötzlich kriecht kaltes Wasser in unsere Neoprenanzüge. Der Computer an meinem linken Handgelenk zeigt 21 Grad Celsius an. Sieben Grad weniger als noch vor einer Minute!

Um uns herum flimmert das Wasser

Jetzt flimmert das Wasser um uns herum. Das kalte Wasser strömt aus der Tiefe nach oben und trifft auf das warme Wasser. Wir sind mittendrin in einer Sprungschicht. Und auf einmal sehen wir: Nichts – außer grünes trübes Wasser. Jedes Jahr im Januar, immer zur gleichen Zeit, strömt das kalte nahrhafte Wasser aus der Tiefe des Indischen Ozeans hinauf zu den Inseln in der Andaman See. Das Wasser aus der Tiefsee bringt viele Nährstoffe, winzige Planktonteilchen, so klein wie Fliegen, mit sich. Taucher nennen diese Strömung auch das grüne Monster. Doch dieses Monster ist ein gutes. Mit seinem nahrreichen Wasser füttert es Walhaie und Mantarochen. Diese beiden Tiere gehören zu den Planktonfilterern. Mit ihrem großen Maul saugen sie das Plankton aus dem Wasser und ernähren sich davon.

Langsam schwimme ich mit der Sprungschicht das Riff nach oben in flacheres Wasser. Meine Taucher folgen mir. Immer wieder wandert mein Blick in das trübe Wasser hinein. Konzentriert versuche ich etwas zu erkennen. Plötzlich habe ich das Gefühl: „Dort ist etwas.“ Ich könnte es fast sicher sagen. Dann sehe ich einen Schatten, der durch das Wasser gleitet. Ist es die dunkle Flosse eines Mantarochens? Vielleicht. Sicher bin ich nicht. Zu kurz ist der Moment. Doch ich kann sicher sagen: Die Zeit der Walhaie und Mantarochen hat begonnen. Beim nächsten Tauchgang werden wir sie sehen. Ich habe da so ein Gefühl.

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