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Das grüne Monster bringt große Fische mit sich Foto: STeilchen |
Gemütlich sitzt der Anglerfisch in einer Spalte des
Korallenblocks. Mit seinen zwei Brustflossen hält er sich rechts und links wie mit
Armen auf seinem Platz fest. Vorsichtig drehe ich mich zu meinen vier Tauchern
um und gebe ihnen das Zeichen für „Anglerfisch“: Ich tue so als ob ich eine
Angel in den Händen halten würde, die ich auswerfe und wieder einhole. Dann
zeige ich mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Spalt im Korallenblock.
Schnell folgen die Augen der Taucher meinem Finger, kehren
zu mir zurück und schauen mich fragend an. Für sie ist der Anglerfisch unsichtbar.
Reglos sitzt er auf dem Block. Sein Körper hat die gleiche Farbe wie die
Korallen, an denen er sich festhält: Purpurrot. Langsam schwimme ich ein
Stückchen näher heran und zeige noch einmal auf den Fisch. Die vier Taucher
umringen mich und starren den Korallenblock an. Sekunden später höre ich ein
dumpfes „Ahhhh!“ aus ihren Atemreglern klingen und schwimme langsam zurück.
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Gemütlich: Anglerfisch im Korallenblock Foto: STeilchen |
Das helle Blau verwandelt sich in dunkles Grün
„Gemütlich warm“, denke auch ich, drehe mich auf den Bauch
und schwimme langsam um den Korallenblock herum. Die Taucher schweben über dem
Block, kommen sich mit ihren Flossen in die Quere und fotografieren den
seltenen Fisch. Ich schwebe schwerelos im Wasser und drehe mich langsam um die
eigene Achse. Mein Blick wandert den sandigen Grund neben dem
Korallenblock entlang, nach unten, ins tiefere Wasser. Dort verwandelt sich das
helle Blau langsam in ein dunkles Grün. Wie eine grüne Wand kriecht das trübe
Wasser langsam zu uns hinauf.
„Das grüne Monster kommt“, denke ich. Schnell schwimme ich
zurück zu meinen Tauchern, ziehe einen Karabinerhaken von meiner Tarierweste
ab und klopfe damit gegen den Tank auf meinem Rücken. Dann winke ich die vier zu
mir und gebe ihnen ein Zeichen, mir zu folgen. Plötzlich kriecht kaltes Wasser
in unsere Neoprenanzüge. Der Computer an meinem linken Handgelenk zeigt 21 Grad
Celsius an. Sieben Grad weniger als noch vor einer Minute!
Um uns herum flimmert das Wasser
Um uns herum flimmert das Wasser
Jetzt flimmert das Wasser um uns herum. Das kalte Wasser strömt
aus der Tiefe nach oben und trifft auf das warme Wasser. Wir sind mittendrin in
einer Sprungschicht. Und auf einmal sehen wir: Nichts – außer grünes trübes
Wasser. Jedes Jahr im Januar, immer zur gleichen Zeit, strömt das kalte
nahrhafte Wasser aus der Tiefe des Indischen Ozeans hinauf zu den Inseln in der
Andaman See. Das Wasser aus der Tiefsee bringt viele Nährstoffe, winzige
Planktonteilchen, so klein wie Fliegen, mit sich. Taucher nennen diese Strömung
auch das grüne Monster. Doch dieses Monster ist ein gutes. Mit seinem
nahrreichen Wasser füttert es Walhaie und Mantarochen. Diese beiden Tiere gehören zu
den Planktonfilterern. Mit ihrem großen Maul saugen sie das Plankton aus dem
Wasser und ernähren sich davon.
Langsam schwimme ich mit der Sprungschicht das Riff nach
oben in flacheres Wasser. Meine Taucher folgen mir. Immer wieder wandert mein
Blick in das trübe Wasser hinein. Konzentriert versuche ich etwas zu erkennen. Plötzlich habe ich das Gefühl: „Dort ist etwas.“
Ich könnte es fast sicher sagen. Dann sehe ich einen Schatten, der durch das
Wasser gleitet. Ist es die dunkle Flosse eines Mantarochens? Vielleicht. Sicher
bin ich nicht. Zu kurz ist der Moment. Doch ich kann sicher sagen: Die Zeit der
Walhaie und Mantarochen hat begonnen. Beim nächsten Tauchgang werden wir sie
sehen. Ich habe da so ein Gefühl.